Hilfe für Kinder und jugendliche Diabetiker

Rund 30 000 Kinder und Jugendliche in Deutschland, die Hälfte davon unter 14 Jahre alt, haben Diabetes. Diabetische Kinder sind nicht mehr oder weniger begabt, fauler oder fleißiger als andere Kinder. Sie brauchen keine Nachsicht, nur mehr Aufmerksamkeit, um den Alltag vor allem in Kitas und Schulen meistern zu können – dafür machen wir uns stark.

 

Raus aus der Kinder- und Jugendmedizin – rein ins Risiko? Warum der Wechsel in die Erwachsenenmedizin für Jugendliche mit Diabetes oft schiefläuft und welche Gefahren bestehen

Der Übergang chronisch kranker Jugendlicher in die Erwachsenenmedizin – die sogenannte Transition – birgt erhebliche gesundheitliche Risiken. Jedes Jahr sind in Deutschland rund 3.200 Jugendliche mit Typ-1-Diabetes betroffen. Werden sie in dieser Übergangszeit nicht professionell begleitet, drohen ihnen Versorgungslücken, schlechtere Blutzuckerwerte und eine Zunahme von Diabeteskomplikationen. Besonders bewährt hat sich das strukturierte Berliner Transitionsprogramm (BTP), das Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren durch ein professionelles Fallmanagement unterstützt.

Der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V. (VDBD) betont die herausragende Rolle der Diabetesberatung in dieser kritischen Phase und ruft Eltern auf, die Transition ihrer Kinder aktiv zu begleiten.

Die Transition ist weit mehr als ein Wechsel vom Kinder- zum Erwachsenenarzt. „Sie bedeutet, dass Jugendliche Verantwortung für ihre Krankheit übernehmen, sich in einem neuen medizinischen Umfeld zurechtfinden müssen und jahrelange Bindungen zu einem vertrauten Behandlungsteam enden“, erklärt Dr. Silvia Müther, Diabetologin und Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin sowie Leiterin des Diabeteszentrums für Kinder und Jugendliche an den DRK Kliniken Berlin. „Dieser Prozess muss nicht nur medizinisch, sondern auch psychologisch gut vorbereitet, begleitet und individuell angepasst werden – sonst kann die Versorgung lückenhaft und die Stoffwechsellage instabil werden.“

Studien zeigen: Mindestens ein Drittel der Jugendlichen fällt nach dem Arztwechsel zeitweise aus der fachärztlichen Betreuung. 20 Prozent gehen im Prozess sogar ganz verloren. Die Folgen sind gravierend – das Risiko für Unterzuckerungen, diabetische Ketoazidosen oder erste diabetische Folgeschäden steigt.

Struktur, Zeit und Vertrauen schaffen Sicherheit

Das Berliner Transitionsprogramm (BTP) begegnet diesen Herausforderungen mit einem sektorenübergreifenden Versorgungsansatz. Fallmanagerinnen und -manager begleiten Jugendliche über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren – von der ersten Planung bis zur stabilen Anbindung an die Erwachsenenmedizin. Dazu gehören Transitionsgespräche, strukturierte Übergabeberichte, individuelle Beratung und Hilfe bei der Arztsuche.

„Das Besondere am BTP ist, dass es nicht nur medizinische, sondern auch psychosoziale Aspekte einbezieht“, sagt Pflegemanagerin und Pflegewissenschaftlerin Jana Findorff von den DRK Kliniken Berlin, die das Projekt mit initiiert hat. „Wir schauen mit den Jugendlichen nicht nur die Stoffwechselwerte, sondern auch auf Schulstress, Zukunftsängste und soziale Fragen. Das stärkt die Selbstständigkeit und verhindert, dass junge Menschen in dieser Lebensphase allein gelassen werden.“

Diabetesberatung als Schlüsselrolle

Gerade in der Transition sind Diabetesberaterinnen und -berater unverzichtbar. Sie begleiten Jugendliche individuell, vermitteln Gesundheitswissen auf Augenhöhe und fördern den Aufbau von Selbstverantwortung. „Wir sind oft die Konstante im System“, betont Yvonne Häusler, Diabetesberaterin an den DRK Kliniken Berlin und Vorstandsmitglied des VDBD. „Wenn sich Arztteams ändern und Eltern sich zurücknehmen, bleiben wir ansprechbar – auch emotional.“

Neben der medizinischen Anleitung hilft die Diabetesberatung bei praktischen Fragen: Wie kann ich meinen Therapiealltag organisieren? Was passiert mit meiner Insulinversorgung, wenn ich zum Studieren in eine andere Stadt ziehe?

Ratschläge für Eltern: Loslassen lernen – aber nicht allein
Der VDBD rät Eltern, sich frühzeitig mit der bevorstehenden Transition auseinanderzusetzen. „Eltern haben ihre Kinder über viele Jahre mitversorgt – das Loslassen fällt vielen oft schwer“, so Häusler. „Doch genau hier braucht es professionelle Unterstützung. Eltern sollten nicht aus Angst klammern, sondern die Eigenverantwortung der Jugendlichen gezielt fördern – gemeinsam mit den Fachkräften.“

Wichtig ist, die Transition aktiv zu begleiten: Fragen stellen, bei der Arztsuche unterstützen, rechtzeitig mit der Krankenkasse sprechen. Angebote wie das BTP, das Schulungsprogramm „Fit für den Wechsel“ (https://www.btp-ev.de/wp-content/uploads/2018/11/RZ_Jugendbroschu_re_2016.pdf) oder der Between-Kompass (https://between-kompas.de/) bieten hilfreiche Orientierung für Familien.

Transitionsstrukturen brauchen finanzielle und politische Unterstützung
„Ein gelungener Übergang in die Erwachsenenmedizin entscheidet über die langfristige Gesundheit junger Menschen mit Diabetes“, betont Häusler. „Dafür brauchen wir verbindliche Transitionsstrukturen, eine faire Finanzierung durch die Krankenkassen – und vor allem: die Wertschätzung der professionellen Diabetesberatung als Schlüsselstelle in diesem Prozess.“

Der VDBD fordert daher eine flächendeckende Verankerung strukturierter Transitionsprogramme und ruft Politik, Krankenkassen und Versorgungseinrichtungen auf, die Phase zwischen Jugend- und Erwachsenenmedizin nicht länger dem Zufall zu überlassen.

Quelle: Verband der Diabetesberatungs- und Schulungskräfte VDBD


 

Fachpsychologin berät kostenfrei Eltern von Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes

Diabetes Typ 1 ist in Deutschland mit etwa 37.000 Betroffenen zwischen 0 und 20 Jahren die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Die Diagnose kann das Leben der Heranwachsenden und ihrer Familien auf den Kopf stellen: Plötzlich gehören Insulintherapie, Glukosespiegelkontrolle und die Auseinandersetzung mit der Wirkung von Ernährung und Bewegung auf den Stoffwechsel zum neuen Alltag. Viele der jungen Menschen mit Typ-1-Diabetes gewöhnen sich schnell daran. Andere haben zeitweise oder längere Phasen Probleme mit der Akzeptanz der Erkrankung. Das kann zu Konflikten in der Eltern-Kind-Beziehung führen. Diplom-Psychologin Isabel Laß ist Diabetes-Fachpsychologin DDG sowie Paar- und Familientherapeutin. In offenen Online-Sprechstunden steht sie Eltern regelmäßig und kostenfrei für Fragen zum Thema Diabetes und Psychologie zur Verfügung. Diese finden ein- bis zweimal monatlich jeweils dienstags von 19 bis 21 Uhr statt.

Isabel Laß hat selbst seit ihrer Kindheit Typ-1-Diabetes. Deshalb weiß sie sehr gut, wie es Kindern und Jugendlichen mit der chronischen Erkrankung geht. Wenn Eltern ihr klagen: „Mein Kind hat den Diabetes einfach noch nicht akzeptiert“, muss sie manchmal schmunzeln, weil sie an ihre eigene Jugend denkt. „In diesem Lebensabschnitt geht es um so viel mehr als nur um die vermeintlich einfache Akzeptanz einer Erkrankung, die lebenslang bestehen wird“, weiß die Diplom-Psychologin.

Den Diabetes Typ 1 akzeptieren: Angst ist kein geeigneter Motivator

Jugendliche müssten sich im Alltag bereits auf vielen Ebenen mit Akzeptanz auseinandersetzen – seien es all die Facetten ihrer eigenen Persönlichkeit, ihrer pubertär bedingten körperlichen Veränderungen oder ihrer Rollen in sozialen Umfeldern wie Familie, Freundeskreis und Schule. Die Konfrontation mit Diabetes Typ 1, der Therapie und möglichen Folgeerkrankungen komme als weitere große Herausforderung dazu. „Eigenverantwortung übernehmen und sich täglich motivieren, auch wenn die Glukosewerte trotz hohem Aufwand nicht immer im angestrebten Bereich sind, kann sehr belastend sein“, erklärt Isabel Laß. Sie erinnert sich: „In meiner Jugend hat das diabetologische Behandlungsteam versucht, mich über Angst zur Therapie anzuspornen, zum Beispiel mit Bildern von einem fortgeschrittenen diabetischen Fußsyndrom.“ Angst spende jedoch keine Kraft zur Selbstfürsorge, im Gegenteil. Formulieren auch noch die Eltern ständig Sorgen, Ängste und Bedenken, müssten Jugendliche mit Diabetes Typ 1 manchmal eine regelrechte Gegenhaltung einnehmen, um psychisch stabil bleiben zu können. Das kann das Familienleben auf eine harte Probe stellen und beide Seiten immens belasten.

Extern moderierte Gespräche können verhärtete Fronten aufbrechen

Ob mit Personen aus dem Ärzte- und Diabetesberatungsteam oder einer psychologischen Beratungsstelle: Gemeinsame Gespräche mit extern Beratenden können bei Problemen und Konflikten zwischen Eltern und Jugendlichen rund um das Diabetesmanagement vermitteln. „Dabei gibt es kein Schema F“, sagt Isabel Laß. „Zunächst geht es darum, zu klären, inwiefern der oder die Jugendliche für sich selbst kurz- und langfristig vorausplanen kann, gesund und fit zu bleiben.“ Dabei spiele auch der Umgang der Eltern mit ihrer eigenen Gesundheit eine Rolle, etwa ob sie ein positives Vorbild in punkto Eigenverantwortung und Lebensfreude seien. Die Psychologin ist in ihren Gesprächen immer wieder beeindruckt: „Jugendliche sind sehr ehrlich und direkt – erleben sie das Erwachsenwerden und das gesundheitsbezogene Verhalten ihrer Eltern als negativ, stellen sie infrage, warum sie selbst anders handeln sollen.“ Dabei seien die allermeisten von ihnen verhandlungsbereit und an ihrem sowie am Wohl ihrer Eltern interessiert, bekräftigt Isabel Laß: „Im Laufe ihrer Entwicklung zeigen Jugendliche mit Diabetes Typ 1 häufig eine enorme Verantwortungsbereitschaft. Sie reifen zu jungen Erwachsenen mit großer emotionaler Tiefe und sozialem Blick für andere heran. Davon könnten sich viele Gleichaltrige ohne chronische Erkrankung eine Scheibe abschneiden.“

Diabetes-Kids Virtuell: Online-Sprechstunde Diabetes & Psychologie

In den offenen Online-Sprechstunden steht Isabel Laß regelmäßig und kostenlos für Eltern zum Thema Diabetes und Psychologie zur Verfügung. Mehr Informationen rund um die Themen finden Interessierte auf der Website von diabetesde.

Anmeldung zur Online-Sprechstunde

Die Anmeldung zur Online-Sprechstunde erfolgt über die Website der Diabetes-Kids. Einfach auf den jeweiligen Termin klicken und Anmeldung ausfüllen. Die offenen Online-Sprechstunden Diabetes & Psychologie sind ein Gemeinschaftsprojekt von Diabetes-Kids und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe.

Videovortrag von Isabel Laß anlässlich des Weltdiabetestags 2020:

Isabel Laß über Jugendliche mit Diabetes | diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe


 

Buchtipp: Finn hat Diabetes

Unter der Vielzahl der pixi-Bücher gibt es jetzt auch eine kleine und kindgerechte „Aufklärungsbroschüre“ zum Diabetes.

Unter dem Titel „Finn hat Diabetes“ wird auf wenigen Seiten, hübsch illustriert und leicht verständlich der Typ 1 Diabetes bei Kindern erklärt.

Unser Bundesverband hat in Kooperation mit dem AOK-Bundesverband dieses Büchlein zur Verfügung gestellt. Wenn Sie Interesse daran haben, senden Sie uns einen adressierten und frankierten Rückumschlag zu. Bitte beachten: Gewicht 23 g pro Exemplar, d.h. mit 1,00 Euro (Dt. Post)frankieren.

DDB Landesverband Sachsen e.V.
Striesener Straße 39
01307 Dresden


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Wissenschaftler wollen in den kommenden Jahren über 300.000 Babys auf ein erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes testen

Eine internationale Forschergruppe unter Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Helmholtz Zentrums München hat ein Verfahren zur Risikoberechnung für Typ-1-Diabetes entwickelt, das älteren Methoden deutlich überlegen ist. Durch die Analyse von bis zu 41 Genregionen lassen sich ab der Geburt Kinder identifizieren, die ein mindestens 25-fach erhöhtes Risiko besitzen, Typ-1-Diabetes zu entwickeln. Der Test kommt bereits in einem europaweiten Präventionsprojekt zu Typ-1-Diabetes zum Einsatz. Die Arbeit in ‚PLOS Medicine‘ könnte auch als Modell für andere Krankheiten dienen, an deren Entstehung ebenfalls eine Vielzahl von Genen beteiligt sind.

Mehr Informationen finden Sie hier:

Helmholtz Zentrum München
Freder1k-Studie
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Mit Insulin-Nasenspray den Körper trainieren

In der PINIT-Studie werden Kinder mit einem hohen genetischen Diabetesrisiko gebeten, an einer vorbeugenden Behandlung mit Insulin-Nasenspray teilzunehmen, um zu prüfen, ob dadurch die Entstehung der Erkrankung Typ-1-Diabetes verhindert werden kann. Die Ursachen des Typ-1-Diabetes liegen in einer fehlerhaften Reaktion des Immunsystems gegenüber den Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die das körpereigene Insulin produzieren. Das Immunsystem erkennt fälschlicherweise das körpereigene Insulin und beginnt, die Zellen zu zerstören. In der PINIT-Studie möchten wir versuchen, das Immunsystem zu trainieren, damit keine fehlerhafte Reaktion auftritt. Durch die Verabreichung von Insulin-Nasenspray soll dem Immunsystem eine Toleranz gegenüber dem körpereigenen Insulin antrainiert und dadurch die krankmachende Immunreaktion verhindert werden.