Coenzym Q10 – seine vielfältigen Funktionen

Näher betrachtet: Immunsystem und retinalen Gefäßerkrankungen

Unterstützung für unser Immunsystem

Das menschliche Immunsystem hat einen hohen Energieverbrauch und ist daher auf das Vorhandensein der vitaminähnlichen Verbindung Coenzym Q10 angewiesen. Denn diese erzeugt in praktisch all unseren Zellen, einschließlich der Immunzellen, Energie.

Auch anderweitig unterstützt Coenzym Q10 unser Immunsystem, z. B. durch antioxidativen Schutz, Entzündungskontrolle und Genexpression.

Ist das körpereigene Immunsystem aufgrund eindringender Erreger – Viren oder andere Krankheitserreger – in Alarmbereitschaft, werden auf zellulärer Ebene enorme Energiemengen benötigt, um die verschiedenen Immunreaktionen zu unterstützen. Phagozyten (Neutrophile, Monozyten und Makrophagen) zerstören eingedrungene Krankheitserreger mithilfe freier Radikale, die die Phagozyten produzieren und in gezielten Angriffen einsetzen. Dabei handelt es sich um einen sehr energieaufwendigen Prozess, bei dem Coenzym Q10 eine Schlüsselrolle spielt: Es fungiert als Elektronenüberträger in den Mitochondrien der Zellen und erzeugt dort Adenosintriphosphat (ATP) – es speichert also Energie in chemischer Form, die von den Zellen bei Bedarf genutzt werden kann.

Schützt Immunzellen vor Selbstzerstörung

Nicht nur wegen seiner Rolle als Energielieferant ist das Coenzym Q10 für das Immunsystem sehr gefragt. Die Verbindung ist eines der wichtigsten lipidlöslichen Antioxidantien des Körpers und schützt Zellmembranen und zirkulierende Lipoproteine wie Triglyceride und Cholesterin vor oxidativen Schäden. Dies ist äußerst wichtig für den Schutz der Fresszellen in der Phase, in der sie große Mengen an freien Radikalen für ihre Immunangriffe produzieren. Coenzym Q10 kann die Fresszellen vor der Selbstzerstörung schützen, die durch die eigene Erzeugung von freien Radikalen verursacht wird.

Hilft dem Körper, entzündliche Prozesse zu kontrollieren

Zudem kann das Coenzym Q10 die Wirkung von Genen beeinflussen, die an Entzündungsprozessen beteiligt sind. Mit anderen Worten: Coenzym Q10 ist wichtig, um die entzündungsfördernden Prozesse zu kontrollieren und sicherzustellen, dass sie wie geplant durchgeführt und gesteuert werden. Dies ist von entscheidender Bedeutung, denn wenn die Entzündungsreaktion anhält und eskaliert, kann dies zu umfangreichen Schäden an gesunden Zellen und Geweben führen.

Diese Reaktion ist auch bei Coronaviren bekannt: Die durch das Immunsystem gegen die Viren ausgelöste entzündungsfördernde Reaktion hält an, obgleich das Virus bereits unter Kontrolle ist. Daher ist es entscheidend, dass die Kontrollmechanismen des Körpers korrekt funktionieren, mit denen besagte entzündungsfördernde Prozesse gebremst werden – Coenzym Q10 könnte hier eine entscheidende Rolle spielen.

Q10 kann den altersbedingten Verlust der Immunfunktion umkehren

Mit steigendem Alter lässt unsere Immunabwehr allmählich nach. Dieses Phänomen wird als Immunoseneszenz bezeichnet. Sie ist einer der Hauptfaktoren, die zur Morbidität und Mortalität älterer Menschen beitragen.

Immunoseneszenz ist gekennzeichnet durch den Funktionsverlust der meisten Zelltypen des Immunsystems, einschließlich B-Zellen, T-Zellen und NK-Zellen (natürliche Killerzellen). Dieser Funktionsverlust geht mit einer entsprechend höheren Anfälligkeit für Infektionen und Krebs einher.

Bei Tieren wurde die Immunoseneszenz eingehend untersucht. So wurde in einer Studie1 an gealterten Mäusen eine beeinträchtigte Immunfunktion mit einem Mangel an zirkulierendem Coenzym Q10 in Verbindung gebracht. Nach einer Supplementierung durch Coenzym Q10 konnte die Immunfunktion jedoch teilweise wiederhergestellt werden (bis zu 80 % der normalen Funktion).

Da die Übertragbarkeit der Ergebnisse von Tierstudien auf den Menschen allerdings nicht immer gegeben ist, lohnt sich ein Blick auf die vielen aussagekräftigen Studien über die Wirkung von Coenzym Q10 auf die menschliche Immunantwort.

Wichtig für Sportler

Aufgrund einer potenziell schädlichen Wirkung von übermäßiger körperlicher Belastung stellen Sportler geeignete Forschungsobjekte dar. Es ist zwar bekannt, dass sich regelmäßiges, kurzes und mäßig intensives Training positiv auf das Immunsystem auswirkt; hochintensive sportliche Betätigung über einen längeren Zeitraum kann hingegen das Gegenteil bewirken und insbesondere für Infektionen der oberen Atemwege eine höhere Anfälligkeit bedingen.

Mehrere Studien bringen in diesen Fällen eine Supplementierung mit Coenzym Q10 mit einer verbesserten Immunfunktion in Verbindung. Eine Studie2 mit Spitzenschwimmern konnte zeigen, dass eine 14-tägige Supplementierung mit Coenzym Q10 negative Veränderungen in den Spiegeln proinflammatorischer Zytokine verhindert. Und eine Studie3 mit Kendo-Sportlern (Kendo ist eine Kampfsportart) ergab, dass die tägliche Einnahme von 300 mg Coenzym Q10 über einen Zeitraum von 20 Tagen die Entzündungskontrolle verbesserte.

Verhindert, dass Entzündungen chronisch werden

Es scheint, dass Coenzym Q10 eine besonders wichtige Rolle bei der Vermittlung von Entzündungsprozessen spielt. Ein wichtiges Detail, wenn man bedenkt, dass Entzündungen zunehmend als Schlüsselfaktor bei zahlreichen Krankheiten – von Diabetes und nichtalkoholischer Fettlebererkrankung (NAFLD) bis hin zu Schilddrüsenstörungen und Magen-Darm-Erkrankungen – in den Blickpunkt rücken. Eine Meta-Analyse4 von 17 randomisierten, kontrollierten Studien zu Erkrankungen mit chronischen Entzündungen zeigte, dass Coenzym Q10 die Werte verschiedener Entzündungsmarker wie CRP (C-reaktives Protein), IL-6 (Interleukin-6) und TNF-alpha (Tumornekrosefaktor alpha) deutlich senkt.

Man nimmt an, dass die beobachteten entzündungshemmenden Wirkungen des Coenzyms Q10 mit seiner regulierenden Wirkung auf die genetische Expression des NFkB (Nuclear Factor Kappa B) zusammenhängen. Dieser ist an Aktivitäten beteiligt, die das Überleben der Zellen, die Zellproliferation und die Zellspezialisierung steuern.

Q10 im Zusammenspiel mit Selen

Die Rolle des Coenzyms Q10 bei der Eindämmung von Entzündungen konnte im Rahmen eines umfangreichen Forschungsprojekts unter der Leitung von Professor Urban Alehagen, einem schwedischen Kardiologen an der Universität Linköping in Schweden, deutlich gemacht werden: In der originalen KiSel-10-Studie5 aus dem Jahr 2013 dokumentierten Alehagen und seine Kollegen, dass eine tägliche Supplementierung mit 200 mg Coenzym Q10 (Q10 Bio-Qinon Gold) und 200 Mikrogramm Selen (SelenoPrecise) die kardiovaskuläre Mortalität um 54 Prozent senkte. Bei weiteren Analysen der mehr als 50.000 Blutproben, die während des Interventionszeitraums entnommen wurden, konnten sie eine Verbesserung zahlreicher Entzündungsmarker infolge der Einnahme dieser beiden Präparate feststellen.

Auf Basis dieser Forschung führten die schwedischen Wissenschaftler bis heute mehr als 20 Studien durch.

Sie liefern einen soliden Beweis für die entzündungshemmenden Eigenschaften von Coenzym Q10 und Selen. Die beiden Nährstoffe wirken als biologisches und biochemisches Team und sind daher eine wichtige Kombination, insbesondere bei Menschen mittleren und höheren Alters.

Quellen:

1 Bliznakov, E.G. Immunological Senescence in Mice and its Reversal by Coenzyme Q10. Mech. Ageing Dev. 1978, 7, 189–197.
2 Emami, A. The Impact of Pre-Cooling and CoQ10 Supplementation on Mediators of Inflammatory Cytokines in Elite Swimmers. Nutr. Cancer 2020, 72, 41–51.
3 Shimizu, K.; Kon, M.; Tanimura, Y.; Hanaoka, Y.; Kimura, F.; Akama, T.; Kono, I. Coenzyme Q10 Supplementation Downregulates the Increase of Monocytes Expressing Toll-like Receptor 4 in Response to 6-Day Intensive Training in Kendo Athletes. Appl. Physiol. Nutr. Metab. 2015, 40, 575–581.
4 Fan, L.; Feng, Y.; Chen, G.-C.; Qin, L.-Q.; Fu, C.-l.; Chen, L.-H. Effects of Coenzyme Q10 Supplementation on Inflammatory Markers: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Pharmacol. Res. 2017, 119, 128–136.
5 Alehagen, U.; Johansson, P.; Björnstedt, M.; Rosén, A; Dahlström, U.,Cardiovascular Mortality and N-Terminal-proBNP Reduced after Combined Selenium and Coenzyme Q10 Supplementation: A 5-Year Prospective Randomized Double-Blind Placebo-Controlled Trial among Elderly Swedish Citizens.
International Journal of Cardiology, Vol. 167, Ausgabe 5, S. 1860–1866, September 2013

Der starke Partner für Patienten mit retinalen Gefäßerkrankungen

Im Rahmen einer spanischen Studie wurde bei Patienten mit verschiedenen retinalen Gefäßerkrankungen die Supplementierung durch Coenzym Q10 und Antioxidantien untersucht. Die Studie wurde Anfang dieses Jahres in der Zeitschrift „Nutrients“ veröffentlicht und zeigt vielversprechende Ergebnisse.

Ein plötzlicher Sehverlust aufgrund von Funktionsstörungen der Retina tritt vergleichsweise häufig auf. Gefäßerkrankungen, die das Auge betreffen, können durch eine Reihe verschiedener Faktoren verursacht werden. Einige dieser Faktoren sind bedingt durch Erkrankungen wie Diabetes, Hypertonie, Arteriosklerose, Schlafapnoe und Fettleibigkeit. Der aktuelle therapeutische Ansatz konzentriert sich hauptsächlich darauf, so viele Risikofaktoren wie möglich zu reduzieren, um das Fortschreiten der Erkrankung einzuschränken. Eine leitlinienbasierte Standardbehandlung fehlt derzeit.

Coenzym-Q10-Formulierung von pharmazeutischer Qualität

Allerdings sieht eine allgemeine Empfehlung bei der Behandlung von Gesichtsfelddefekten im Zusammenhang mit Gefäßproblemen die Verschreibung von Nahrungsergänzungsmitteln vor. Darunter Vitamine und Antioxidantien. Das Coenzym Q10 ist hier u. a. aufgrund seiner antioxidativen Eigenschaften von besonderem Interesse. So konnten spanische Wissenschaftler kürzlich im Rahmen einer Studie einem hochwertigen Coenzym-Q10-Präparat von pharmazeutischer Qualität namens Q10 Bio-Qinon Gold eine gute Wirksamkeit bescheinigen. Es wurde in Kombination mit verschiedenen Antioxidantien verabreicht. Besagtes Präparat wurde bereits in einer Reihe anderer veröffentlichter Studien verwendet. Ausgewählt wurde es aufgrund seiner dokumentierten Bioverfügbarkeit.

100 mg täglich

In die Open-Label-Studie wurden 48 Patienten aufgenommen, bei denen retinale Gefäßerkrankungen unterschiedlicher Art diagnostiziert worden waren. Darunter waren nicht arteriitische ischämische Optikusneuropathie (NAION), retinaler Arterienverschluss (RAO) und homonyme Hemianopsie oder Quadrantenanopsie nach Schlaganfall. Die Patienten wurden mit einer Coenzym-Q10-Supplementierung p.o. (100 mg pro Tag) und verschiedenen Antioxidantien behandelt.

Besserung bei allen Patienten

Als Reaktion auf die Behandlung zeigten alle behandelten Patienten eine positive Progression des VFI (Visual Field Index). Die gesteigerten Progressionsraten bilden sich dabei wie folgt ab: 15 % bei NAION-Patienten (insgesamt 18 Patienten), 17 % bei RAO-Patienten (insgesamt 7), 10,5 % bei Patienten mit Hemianopsie/Quadrantenanopsie (insgesamt 18) und 21 % bei Patienten mit anderen Erkrankungen (insgesamt 13).

Bei einem Patienten führte das Absetzen der Coenzym-Q10-Supplementierung zu einer deutlichen Abnahme des VFI, die jedoch nach Wiederaufnahme der Behandlung teilweise rückgängig gemacht werden konnte. Dies deute laut Einschätzung der Wissenschaftler darauf hin, dass die positiven Effekte der Supplementierung reversibel sind. Diese Beobachtung bedarf allerdings weiterer Bestätigung.

Getestet an Astronauten im All

Der therapeutische Wert des Coenzyms Q10 in Bezug auf die Unterstützung der normalen Funktion der Retina ist insbesondere für Astronauten von verstärktem Interesse. Bei monatelanger Arbeit in der räumlich begrenzten Raumstation sind Astronauten den potenziell schädlichen Auswirkungen der Mikrogravitation (dem Zustand der Schwerelosigkeit) in Kombination mit geringen Mengen an hochenergetischer solarer und kosmischer Strahlung ausgesetzt, die in die Raumstation eindringt. Studien haben gezeigt, dass hierdurch reaktive Sauerstoffspezies (ROS) entstehen können, die ihrerseits Netzhautzellen schädigen und Apoptose sowie Entzündungsreaktionen induzieren können. Frühere Studien haben gezeigt, dass Coenzym Q10 antiapoptotische Eigenschaften hat. Zudem prüfen italienische Forscher2 derzeit, ob die Supplementierung durch Coenzym Q10 die Netzhautschäden einschränken kann, die mit einem längeren Aufenthalt im All assoziiert sind.

Altersbedingter Q10-Verlust in der Retina

Mit steigendem Alter geht grundsätzlich eine Abnahme des Coenzyms Q10 in der Retina einher. Laut den Ergebnissen einer amerikanisch-chinesischen Studie3 zu den Coenzym-Q10-Konzentrationen in der menschlichen Retina ist im Alter eine Abnahme der Konzentration um ca. 40 % möglich. Dies, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler, könne zwei Konsequenzen haben: Es kann zu einer Abnahme der antioxidativen Kapazität führen, wodurch die Retina anfälliger für oxidativ bedingte Schäden wird. Die zweite Konsequenz ist eine mögliche Herabsetzung der ATP-Synthese in den Netzhautzellen. Dadurch wird weniger Energie erzeugt als normalerweise für eine physiologische Netzhautfunktion notwendig wäre. Die Schlussfolgerung der Studie lautet, dass die altersbedingten Veränderungen in der Retina mit einem Fortschreiten der Makuladegeneration assoziiert sein können.

Weltweit sind Millionen Patienten von Netzhauterkrankungen betroffen, die zu Sehbehinderungen und eingeschränkter Lebensqualität führen – da eine Ernährungsintervention hier vielversprechende Ergebnisse liefern kann, ist sie eine wertvolle Therapieoption.

Björn Falck Madsen, Medizinjournalist

Quellen
1 The Use of Vitamins and Coenzyme Q10 for the Treatment of Vascular Occlusion Diseases Affecting the Retina
Nutrients 9. März 2020; 12(3): 723. doi: 10.3390/nu12030723.

2 The Coenzyme Q10 as an antiapoptotic countermeasure for retinal lesions onboard the International Space Station
https://www.frontiersin.org/10.3389%2Fconf.fphys.2018.26.00036/event_abstract

3 Coenzyme Q10 in the Human Retina
Investigative Ophthalmology & Visual Science, April 2009, Vol. 50, 1814–1818. doi: https://doi.org/10.1167/iovs.08-2656