Harmlos oder gefährlich – was tun, wenn das Bein anschwillt?
Schwellungen an einem oder beiden Beinen sind eines der häufigsten Symptome, die Patientinnen und Patienten in die gefäßmedizinische Praxis führen. Dahinter kann eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen stehen, von harmlosen Hormonschwankungen über Nieren- oder Herzprobleme bis hin zu potenziell lebensgefährlichen Thrombosen.
Ein „dickes Bein“ ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom, das auf viele gesundheitliche Probleme hindeuten kann. „Um die ganze Bandbreite möglicher Ursachen zu verstehen, hilft ein Blick auf die Entstehungsmechanismen der Schwellung“, sagt DGG-Experte Dr. med. Hans-Walter Fiedler vom Gefäßmedizinischen Versorgungszentrum Kreis Soest. Meist ist die Schwellung Folge eines Ödems, einer Ansammlung von Gewebsflüssigkeit (Lymphe), die durch ein Ungleichgewicht zwischen deren Bildung und Abfluss entsteht.
Auslöser: Von Allergie bis Verletzung
Zu viel Lymphe wird etwa dann gebildet, wenn die Venenklappen geschwächt sind, das Blut also in die Beine zurücksackt und den Druck in den Kapillaren erhöht. „Eine große Risikogruppe sind daher Menschen mit Venenschwäche und Krampfadern, die fast 16 Prozent der Bevölkerung ausmachen“, erläutert Fiedler das Ausmaß des Problems. Darüber hinaus können Beinschwellungen bei Herz- oder Nierenschwäche auftreten, bei starkem Eiweißmangel oder als Nebenwirkung mancher Medikamente. Zu Ödembildungen kommt es ebenfalls, wenn die Durchlässigkeit der Gefäßwände zunimmt, was unter anderem bei Entzündungen, Allergien oder hormonell bedingt der Fall sein kann. Letztlich kann der Abtransport der Lymphe auch mechanisch blockiert sein – etwa nach Operationen, Verletzungen oder bei Adipositas.
Notfälle mit Ultraschall abklären
Ein echter Notfall liegt vor, wenn die Schwellung auf eine tiefe Beinvenenthrombose zurückgeht. „Diese Möglichkeit muss bei jeder neu auftretenden, einseitigen Beinschwellung bedacht und sofort abgeklärt werden“, betont Fiedler. Schnelle Gewissheit bringe eine Ultraschalluntersuchung der Beingefäße. Bei einer akuten Schwellung beider Beine müsse auch an eine höherliegende Thrombose im Bauchraum („Vena-cava-Thrombose“) gedacht werden.
Der Ursache auf den Grund gehen
Sind diese lebensbedrohlichen Erkrankungen ausgeschlossen, beginnt die Suche nach anderen Ursachen. Wichtige Hinweise geben der zeitliche Verlauf der Schwellungen – wann treten sie auf, wie lange bestehen sie schon? – sowie das Schwellungsmuster – ein- oder beidseitig, sind auch andere Körperteile betroffen? Bei der körperlichen Untersuchung achten Gefäßmediziner*innen auch auf Hautveränderungen, auf mögliche Schmerzpunkte und darauf, ob die Schwellung sich eindrücken lässt oder nicht. Bei Bedarf können sich Laboruntersuchungen, eine Bildgebung per CT oder MRT oder ein Herz-Ultraschall anschließen.
Aktivität hilft gegen Schwellung
So vielfältig wie die Ursachen sind auch die möglichen Therapieansätze. Gegen die Schwellung selbst sind in der Regel konservative Verfahren wie das Tragen von Kompressionsstrümpfen, Lymphdrainage und Gewichtsreduktion hilfreich.
„Hier können und müssen Betroffene auch selbst aktiv werden: Beine hochlagern, sich regelmäßig bewegen, nicht zu lange sitzen und stehen sind einfache, aber wirksame Maßnahmen“, so Fiedler. Je nach Grunderkrankung könne zudem die Einnahme entwässernder Medikamente sinnvoll sein, unter Umständen auch eine Thromboseprophylaxe.
Verschiedene operative Verfahren
Nicht zuletzt stehen auch operative Verfahren zur Verfügung wie etwa die Entfernung kranker Venen oder Gefäßrekonstruktionen bei Abflussstörungen. Auch beim Lipödem, der krankhaften Vermehrung von Fettgewebe, die medizinisch betrachtet kein wirkliches Ödem ist, kann eine Operation sinnvoll sein. „Bei jeder Schwellung der Beine sollte frühzeitig ärztlicher Rat eingeholt werden“, resümiert Gefäßspezialist Fiedler. „Denn mit einer adäquaten Therapie lassen sich viele Komplikationen vermeiden und die Lebensqualität erhalten.“
Paradigmenwechsel bei der Therapie der Schaufensterkrankheit
Lange Zeit galt, fortgeschrittene Durchblutungsstörungen in den Beinen nach Möglichkeit minimalinvasiv zu beseitigen. Doch die Regel „endovaskulär first“ ist überholt. Diese Erkenntnis ist festgehalten in der aktualisierten S3-Leitlinie zur peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), einer Erkrankung, an der in Deutschland mehr als zehn Prozent der über 60-Jährigen leiden. Ob undurchlässige Gefäße endovaskulär, offen chirurgisch mit einem Bypass oder gar nicht operiert werden, hängt in erster Linie von den Beschwerden, dem Zustand und dem Risiko der Erkrankten ab. Damit erfolgt eine weitgehende Neubewertung der pAVK-Therapie, wie die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) mitteilt.
Klassischerweise macht sich die pAVK zu Beginn mit krampfartigen Schmerzen in den Waden bemerkbar, die Betroffene beim Gehen zum Anhalten zwingen („vor dem Schaufenster stehen bleiben“). Wer sich in diesem Stadium befindet, soll zunächst ein Gehtraining erhalten, flankiert von Lebensstilmaßnahmen und einer optimalen medikamentösen Therapie – für die Dauer von drei bis sechs Monaten. Im Focus: Gehtraining (dreimal pro Woche) und Medikamente stehen an erster Stelle sowie bei Gebrechlichkeit ist kein Eingriff oft die bessere Option.
Neu: Ermittlung des Gebrechlichkeitsgrads – Ergibt das Assessment eine alterstypische Muskelschwäche, kann eine gezielte Prähabilitation mit leichten körperlichen Übungen und hochkalorischer Ernährung die Patientinnen und Patienten vor dem Eingriff in einen besseren Zustand bringen. „Ist der Betroffene zu gebrechlich und ein Eingriff zu riskant, rücken eine gute Schmerztherapie und eine professionelle Wundpflege in den Fokus, um bestmögliche Lebensqualität zu erhalten
Quelle: DGG
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