Schaufensterkrankheit und chronische Wunden

Holistische Verfahren zur Behandlung von Gefäßerkrankungen individuell prüfen

Die komplexe Natur vaskulärer Erkrankungen erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise, die zudem die verschiedenen Versorgungsstrukturen miteinander verknüpft. Professor Dr. med. Jörg Heckenkamp, Präsident der DGG und Kongresspräsident 2023, rechnet mit maßgeblichen Veränderungen in Medizin und Forschung durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sich wandelnde sozio-ökonomische Rahmenbedingungen wie den Fachkräftemangel, aber auch durch die digitale Transformation. „Wir erleben, dass Robotik, Künstliche Intelligenz und virtuelle Realität im Gesundheitswesen immer mehr Einzug halten. Das Thema Patient*innensicherheit bleibt dabei aber im Fokus“, sagt Heckenkamp.

Chronischen Wunden liegt häufig Gefäßerkrankung zugrunde

Patient*innensicherheit und die Frage des jeweiligen Nutzens stehen auch bei Empfehlungen zu neuen Behandlungsformen von chronischen Wunden im Mittelpunkt. Jährlich befinden sich in Deutschland über eine Million Menschen mit dieser Erkrankung in Behandlung. Volkskrankheiten wie der Diabetes mellitus oder Adipositas begünstigen die Entstehung einer chronischen Wunde, besonders häufig sind daher ältere Menschen betroffen. „In mehr als zwei Dritteln der Fälle liegt einer chronischen Wunde jedoch eine Erkrankung des venösen, arteriellen oder lymphatischen Gefäßsystems zugrunde, das wird häufig unterschätzt. Den Gefäßmediziner*innen kommt hier also eine entscheidende Rolle in der Behandlung zu“, sagt Dr. med. Thomas Karl, Direktor des Zentrums für Gefäß- und Endovascularchirurgie der SLK Kliniken Heilbronn.

Häufig werde die ursächliche Erkrankung bei einer chronischen Wunde jedoch nicht erkannt, was das Leiden der Patient*innen verlängere. Wesentlich sei die Therapie der Grunderkrankungen, wie eine Revaskularisation bei der Schaufensterkrankheit (periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)), eine Kompression bei dem Ulcus cruris venosum (UCV) oder eine Druckentlastung beim diabetischen Fußsyndrom. Die Wirksamkeit dieser Therapien beruht auf ausreichender wissenschaftlicher Evidenz, im Gegensatz zu Methoden der Lokaltherapie wie Fischhaut, Kaltplasma, Wachstumsfaktoren oder Hämoglobinspray. „Diese Methoden werden häufig eingesetzt, um die Wundheilung zu unterstützen“, so Dr. Karl. „Die Wirksamkeit hinsichtlich einer beschleunigten Wundheilung ist bei den meisten jedoch nicht bewiesen.“

Weiter und länger laufen mit Gehtraining

„Gute Evidenz gibt es hingegen bei schonenden, holistischen Therapieverfahren der Schaufensterkrankheit, wie dem Gehtraining“, erklärt Privatdozentin Dr. med. Barbara Rantner, Leitende Oberärztin der Abteilung für Gefäßchirurgie des LMU Klinikums. Mit weltweit etwa 200 Millionen Betroffenen handelt es sich dabei um eine der weitverbreitetsten Erkrankungen der Arterien. Sie verläuft in verschiedenen Stadien und wird meist im Stadium belastungsabhängiger Schmerzen in der Beinmuskulatur diagnostiziert, in der sie sich durch wiederkehrende krampfartige Schmerzen äußert. Die Therapie erfolgt medikamentös durch eine leitliniengerechte Einstellung des Bluthochdrucks und der erhöhten Blutfette (best medical treatment, BMT).

„Für den Erfolg der medikamentösen Behandlung entscheidend sind auch Änderungen in der Lebensstilführung“, betont die Oberärztin. „Für Betroffene empfiehlt sich eine Nikotinentwöhnung sowie ein angeleitetes Gehtraining.“ Dass das Training die Mobilität der Patient*innen verbessert, sei durch groß angelegte Studien belegt. Patient*innen könnten so länger und weiter laufen, ohne dass Schmerzen auftreten. Lässt sich die Mobilität der Erkrankten durch das Gehtraining nicht verbessern, stünden noch invasive Verfahren wie eine Katheter-gestützte Gefäßdehnung oder offen-chirurgische Methoden zur Verfügung.

Quelle: Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e. V. (DGG)